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Es ist ein unmittelbarer Zusammenhang
mit dem beendeten, aber in seinen Folgen noch gravierend
präsenten, als "bewaffneter Konflikt nicht internationaler
Art" einzustufenden Krieg in den kurdischen Gebieten
und den hiermit in Zusammenhang stehenden Übergriffen
staatlicher Sicherheitskräfte auf die weibliche, zivile
Bevölkerung zu verzeichnen.
Die weiterhin stattfindenden massiven Repressionen durch
Sicherheitskräfte sowie die Perspektivlosigkeit der
kurdischen Bevölkerung in den Nachkriegsgebieten (ökonomische
Krise als Folge des Krieges, fast völlige Abwesenheit
von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten etc.) werden
von den Frauen u.a. als Gründe für den Ausweg in den
Selbstmord genannt.
Es scheint, dass das Auswärtige Amt sich mit Klischees
begnügt, mangelhaft recherchiert oder vorliegende Informationen
nicht zur Kenntnis nimmt und damit zu falschen Ergebnissen
kommt. Auch bei den Ausführungen zur medizinischen Versorgung
leistet sich das Auswärtige Amt eine massive Fehleinschätzung.
Es wird behauptet, dass die Behandlung psychisch kranker
Menschen in allen Krankenhäusern mit psychiatrischer
Abteilung möglich und die Behandlung posttraumatischer
Belastungsstörungen durch medikamentöse oder psychotherapeutische
Therapien gewährleistet sei. Der Anhang des vorherigen
Lageberichts, der eine detaillierte Analyse der Versorgungslage
vornahm und vom Gegenteil zu berichten wußte, wurde
komplett gestrichen. Darin hiess es u.a., dass die Behandlung
traumatisierter Menschen, vergewaltigter Frauen, Menschen
mit Angsttraumata nach Mißhandlungen und stark selbstmordgefährdeten
Menschen eine der größten Schwierigkeiten darstellt.
Weiterführende Therapien oder Anschlusstherapien für
Menschen, die z.B. in der BRD mit einer Therapie angefangen
haben, könnten nicht angeboten werden. Eine Retraumatisierung
sei zu befürchten.
Es fragt sich, wie sich die dieser unserer Ansicht nach
zutreffenden Einschätzung zugrundeliegende Situation
in der Türkei so schnell geändert haben kann. Dies fragt
sich u.a. auch insofern, als das Generalkonsulat der
Bundesrepublik Deutschland in Istanbul noch am 12.3.2001
auf eine Einzelanfrage des Regierungspräsidiums Osnabrück
eine Einschätzung zur medizinischen Versorgungslage
psychisch kranker Menschen abgab, die die Dominanz krankenhausorientierter
Betreuung und den totalen Mangel differenzierter ambulanter
und komplementärer Versorgungseinrichtungen konstatierte.
Das Generalkonsulat zitiert hierbei original den Anlagetext
zum alten Lagebericht: Wäre der neue Lagebericht korrekt
mit seiner Einschätzung, so müßte sich demnach die komplette
Versorgungslage von März bis Juli 2001 geändert haben!
Für Folterüberlebende allgemein und Überlebende sexueller
Folter im Besonderen ist eine spezielle und weiterführende
Therapie von Nöten. Ein kurzer Krankenhausaufenthalt,
sofern er denn überhaupt finanziert werden kann, ist
hingegen wenig hilfreich, wie ja der alte Lagebericht
selbst feststellte.
Spezialisierte Therapeut/innen der Behandlungszentren
für Folterüberlebende weisen immer wieder auf die dringend
notwendigen Begleitumstände wie Angstfreiheit, Sicherheit
vor erneuten Übergriffen und Geborgenheit hin, die für
den Erfolg eines bestimmten Therapieansatzes nach Traumatisierung
durch Folter und speziell sexueller Folter unerläßlich
sind. Diese Ausgangsbedingungen sind in der Türkei nicht
gegeben (siehe Angaben zu erneuten Repressionen oben).
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