Wegen Protest gegen Vergewaltigung von Frauen
Von Uwe Kalbe
In türkischen Medien findet derzeit eine Kampagne
gegen eine Menschenrechtlerin statt, die sich gegen
sexuelle Gewalt gegenüber Frauen durch türkische
Sicherheitskräfte engagiert. Die Kampagne tangiert
auch Deutschland.
Niemand hat das Recht, die türkische Armee und
die türkischen Soldaten anzutasten." Die Warnung
der türkischen Zeitung "Göczü"
scheint sich gegen einen potenziellen Aggressor zu richten.
Doch der "Gegner" ist die Anwältin Eren
Keskin. Und der Vorwurf des "Antastens" wirkt
angesichts des Problems, dem sie sich verschrieben hat,
besonders deplatziert. Eren Keskin, stellvertretende
Vorsitzende des Menschenrechtsvereins in der Türkei
(IHD), wendet sich gegen Vergewaltigungen von Frauen
durch türkische Sicherheitskräfte.
Projekt für betroffene Frauen
Die Vielzahl solcher Fälle hat sie und ihre Mitstreiterinnen
zur Gründung eines Projekts bewogen, das sich gemäß
ihrem Namen um "Rechtliche Hilfe für Frauen,
die durch staatliche Sicherheitskräfte vergewaltigt
oder auf andere Weise sexuell gefoltert wurden",
widmet.
Auf einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag
hatte Eren Keskin in Köln solche Fälle geschildert.
Seitdem sieht sie sich dem Zorn türkischer Medien
ausgesetzt. Unter dem Titel "Widerliche Worte der
hässlichen Anwältin" forderte die oben
genannte Zeitung, Keskin nicht in die Türkei zurück
zu lassen. "Diese Frau soll aus der Türkei
verschwinden..., soll sie doch in Deutschland bleiben."
Üble Worte in Zeitungen und im Radio
Die Wortwahl der Journalisten spricht Bände. "Wenn
ich jetzt Eren Keskin bei der ersten Gelegenheit, wo
ich ihr begegne, nicht sexuell anmache, wäre ich
kein Mann", meinte ein Kommentator der Radiosendung
"D". Und weiter: "Sie wollte wohl Folgendes
sagen, diese Eren Keskin... warum macht ihr es mir nicht".
Die Zeitung "Ikinci" kündigte an: "Wenn
Eren Keskin zurückkommt, wird sie ihre sexuelle
Belästigung bekommen." "Hierfür
gibt es nur eine Bezeichnung: Das ist Verrat".
So urteilte die Massenzeitung "Hürriyet".
Die Kritik von Eren Keskin sei Vaterlandsverrat und
ein Komplott. Staatsanwaltschaft, Innen- und Außenministerium
hätten Ermittlungen aufgenommen.
Der Menschenrechtsverein IHD hat gemeinsam mit anderen
Menschenrechtlern und Journalisten offiziell protestiert.
Am Donnerstag schloss sich die Innenpolitische Sprecherin
der PDS-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, dem Protest
an. Sie forderte die Bundesregierung auf, "sofort
bei der türkischen Regierung vorzusprechen und
diesem unglaublichen Angriff auf die Menschenwürde
von Frau Keskin entgegen zu treten".
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