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Veröffentlichung im Gesetzesblatt (resmi gazete) der Türkei vom 06.08.2003
Übersetzung aus dem türkischen Original:

Gesetz zur Eingliederung in die Gesellschaft

  Gesetz Nr. 4959

Ziel und Zweck
Artikel 1 – Ziel dieses Gesetzes ist die Wiedereingliederung Angehöriger terroristischer Organisationen, die gegründet wurden, um Straftaten politischer und ideologischer Zielsetzung zu begehen, in die Gesellschaft.

Umfang und Begriffsbestimmung
Artikel 2 – Dieses Gesetz findet Anwendung auf:
a) Angehörige terroristischer Organisationen, die sich direkt oder vermittelt durch andere stellen, ohne bewaffneten Widerstand zu leisten oder Personen, die sich nachweislich freiwillig von der Organisation getrennt haben oder Personen, derer durch Festnahme habhaft wurde und die an von der Terrororganisation begangenen Straftaten
b) beteiligt waren,
c) nicht beteiligt waren,
d) Personen, die Angehörigen terroristischer Organisationen, im Wissen um deren Identität und Position, Zufluchtsorte aufgezeigt oder Verpflegung oder Waffen oder Munition zur Verfügung gestellt haben oder ihnen in sonstiger Weise behilflich waren.
Der in diesem Gesetz verwendete Begriff der terroristischen Organisation umfasst Organisationen, Vereinigungen, bewaffnete Vereinigungen, Banden, bewaffnete Banden oder geheime Verbände, die gegründet wurden, um aus politischen und ideologischen Gründen Straftaten zu begehen und die im Gesetz Nr. 765 vom 1.3.1926 und Strafvorschriften beinhaltenden, speziellen Gesetzen Erwähnung finden.

Ausschluß von Vergünstigungen nach diesem Gesetz
Artikel 3 – Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf: a) Personen, die sich unter welcher Bezeichnung auch immer im Leitungsgremium der höchsten Ebene befanden und auf die Gesamtheit (der Organisation, d.Ü.) Einfluß nehmend die Terrororganisation geleitet und geführt haben,
b) Täter, die vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst werden, aber vor Rechtskraft eines gegen sie verhängten Urteils vor dem Richter erklären, dass sie ihre vorherigen diesbezüglichen Erklärungen widerrufen oder erklären, dass sie von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht profitieren wollen,
c) Personen, auf die die Bestimmungen dieses Gesetzes oder/ und der Gesetze Nr. 3216 vom 5.6.1985, Nr. 3419 vom 25.3.1988, Nr. 3618 vom 21.3.1990, Nr. 3853 vom 26.1.1992, Nr. 4058 vom 28.2.1995, Nr. 4450 vom 26.8.1999, Nr. 4537 vom 24.2.2000 (vorherige Reuegesetze, d.Ü.) Anwendung gefunden haben und die hiernach erneut Straftaten i.S.d. oben aufgeführten Gesetze begehen.

Strafminderung, böswillige Erklärungen und Rückfälligkeit
Artikel 4 – Personen, die Angehörige einer Terrororganisation sind und
a) an den von der terroristischen Organisation durchgeführten Straftaten nicht beteiligt waren und die sich nach in Kraft treten dieses Gesetzes direkt oder vermittelt durch andere stellen, ohne bewaffneten Widerstand zu leisten oder sich nachweislich freiwillig von der Organisation getrennt haben und erklären, dass sie von diesem Gesetz profitieren wollen, werden keiner Strafe zugeführt.
b) vor in Kraft treten dieses Gesetzes an von der terroristischen Organisation durchgeführten Straftaten beteiligt waren, sich jedoch nach in Kraft treten dieses Gesetzes direkt oder vermittelt durch andere stellen, ohne bewaffneten Widerstand zu leisten oder sich nachweislich freiwillig von der Organisation getrennt haben, erhalten, falls sie erklären, dass sie von diesem Gesetz profitieren wollen und unter der Bedingung, dass sie ihrer Stellung und Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend angemessen nachgewiesenermaßen wahrheitsgemäße Informationen über die Struktur der Terrororganisation, ihre Aktivitäten, begangene Straftaten und andere Täter geben, entsprechend der Art und Merkmale der von ihnen selbst begangenen Straftat folgende Strafminderung: anstelle der in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 12 Jahre Freiheitsstrafe, anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 9 Jahre Freiheitsstrafe; zeitige Freiheitsstrafen werden zu 1/5 der vorgesehenen Freiheitsstrafe verhängt.
c) nach in Kraft treten dieses Gesetzes festgenommen werden, erhalten, unabhängig davon, ob sie an von der Terrororganisation durchgeführten Straftaten beteiligt waren oder nicht, folgende Strafminderung, falls sie erklären, dass sie von diesem Gesetz profitieren wollen und unter der Bedingung, dass sie ihrer Stellung und Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend angemessen Informationen liefern, die bei der Auflösung oder Aufdeckung der Terrororganisation von Hilfe sind oder wenn die von ihnen gelieferten Informationen oder Dokumente oder ihre persönlichen Bemühungen dazu beitragen, dass eine von der Terrororganisation geplante Straftat verhindert werden kann und falls diese Informationen
d) vor Rechtskraft eines verhängten Urteils preisgegeben werden, entsprechend der Art und Merkmale der selbst begangenen Straftat: anstelle der in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 16 Jahre Freiheitsstrafe, anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 14 Jahre Freiheitsstrafe; zeitige Freiheitsstrafen werden zu 1/3 der vorgesehenen Freiheitsstrafe verhängt.
e) nach Rechtskraft eines verhängten Urteils preisgegeben werden, entsprechend der Art und Merkmale der selbst begangenen Straftat: anstelle der in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 22 Jahre Freiheitsstrafe, anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 19 Jahre Freiheitsstrafe; zeitige Freiheitsstrafen werden zu 1/2 der vorgesehenen Freiheitsstrafe verhängt Wenn sich herausstellt, dass Erklärungen in böswilliger Absicht abgegeben wurden, um von den Bestimmungen dieses Gesetzes zu profitieren oder Beweise wahrheitswidrig erfunden wurden, wird der Täter, auch wenn dieses (Verhalten, Anm.d.Ü.) eine weitere, andere Straftat darstellt, zusätzlich zu dieser mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft und wird von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen.
Gegen Personen, die nach Inanspruchnahme der Vorteile dieses Gesetzes innerhalb der Fristen des Art. 81 Türkisches Strafgesetzbuch erneut Straftaten i.S. des vorliegenden Gesetzes begehen, wird die regelmäßig gesetzlich vorgesehene Strafe plus einer Straferhöhung um die Hälfte verhängt.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch Anwendung auf Personen, die, ohne selbst Angehörige der Terrororganisation zu sein, diese mit Waffen und Munition versorgt haben. Personen jedoch, die Angehörigen der Terrororganisation i.S.d. Absatz 1 dieses Artikels lediglich Unterkunft oder Verpflegung besorgt haben oder ihnen auf sonstige Weise behilflich waren, werden nicht mit Strafe verfolgt.

Schutzmaßnahmen
Artikel 5 – Auf Wunsch derjenigen Person, auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden und nach Feststellung, dass sie gem. Artikel 170 und 171 letzter Absatz des Türkischen Strafgesetzbuches sowie ihrer Stellung und Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend angemessene Informationen geliefert haben, ergreift das Innenministerium ohne die Rechtskraft des Urteils abzuwarten für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen sowie jeder Art Maßnahme zur Wiedereingliederung dieser Person in die Gesellschaft.
Bei der Umsetzung der zu treffenden Maßnahmen haben das Innenministerium sowie alle weiteren zuständigen Ämter und Organisationen notwendige Geheimhaltungsregeln einzuhalten. Personen, die gegen die Bestimmungen dieses Absatzes verstoßen, werden mit Freiheitsstrafe von 2 bis 3 Jahren bestraft.
Die Personen, auf welche Schutzmaßnahmen Anwendung finden sowie Art und Weise verschiedener Schutzmaßnahmen und die hiermit in Verbindung stehenden Kosten werden durch Rechtsverordnung des Innenministeriums bestimmt. Die zuständigen Ämter und Organisationen haben die Anweisungen des Innenministeriums bezüglich dieser Schutzmaßnahmen unverzüglich umzusetzen.
Die im Zusammenhang mit der Umsetzung der Schutzmaßnahmen stehenden Kosten werden aus den hierfür bewilligten Mitteln des Haushaltsplans des Innenministeriums beglichen. Die aus diesen Mitteln vorzunehmenden Ausgaben werden mit Zustimmung des Innenministeriums gem. der in Artikel 77 des Gesetzes über das Öffentliche Rechnungswesen Nr. 1050 vom 26.5.1927 niedergelegten Grundsätze beglichen. Die Bestimmungen des Gesetzes über staatliche Ausschreibungen Nr. 4734 vom 4.1.2002 finden bezüglich dieser Ausgaben keine Anwendung.
Die Identität derjenigen Personen, die entsprechend dieses Artikels eine Identitätsveränderung erhalten haben, werden im Justizregister (ähnlich Bundeszentralregister, d.Ü.) eingetragen; diese Eintragung wird ausschließlich in dem bei der Generaldirektion für Justizregisterwesen und Statistik des Justizministeriums geführten Zentraljustizregister getätigt.
Die Schutzmaßnahmen betreffend Personen, die von den Gesetzen Nr. 3216 vom 5.6.1985 und Nr. 3419 vom 25.3.1988 profitiert haben, werden fortgeführt.

Überprüfung der gegebenen Informationen
Artikel 6 – Im Falle, dass den gemäß dieses Gesetzes zuständigen Behörden oder Gerichten Informationen gegeben wurden, haben die zuständigen Behörden und Gerichte diese unverzüglich und unter Beachtung der Geheimhaltungspflichten an das Innenministerium weiterzuleiten.
Im Hinblick auf die Anwendung dieses Gesetzes überprüft das Gericht zugleich mittels des Innenministeriums die Richtigkeit der gegebenen Informationen und Erklärungen. Um die gegebenen Informationen und Erklärungen zu überprüfen, übersendet das Gericht dem Innenministerium eine Akte, welche die Aussagen und Erklärungen des Angeklagten in allen Phasen des Verfahrens enthält. Auf Anfrage des Gerichts untersucht das Innenministerium den Fall innerhalb kürzester Zeit und läßt dem Gericht einen begründeten Abschlußbericht zukommen.
In Fällen, in denen es in Hinsicht auf die Überprüfung der Richtigkeit gegebener Informationen notwendig erscheint, können Straf- oder Untersuchungsgefangene auf Wunsch der mit der Überprüfung beauftragten Behörde und auf Anforderung der Staatsanwaltschaft unter der Bedingung der Zustimmung dieser Personen durch Entscheidung des Gerichts des Ortes der Straf- oder Untersuchungshaft aus der Haftanstalt übernommen werden. Das Gericht entscheidet entsprechend der Art und Weise der vorzunehmenden Arbeiten über die Zeitspanne des Verbleibs bei den polizeilichen Ordnungsbehörden. Das Gericht hört vor jeder erneuten Entscheidung den Straf oder- Untersuchungsgefangenen an. Jedoch darf die jeweils einzelne Zeitspanne vier Tage, die Gesamtzeitspanne 15 Tage nicht überschreiten. Die Zeit wird auf die Straf- oder Untersuchungshaft angerechnet. Der Gesundheitszustand des Straf – oder Untersuchungsgefangenen wird bei Verlassen der sowie bei Rückkehr in die Haftanstalt in einem Arztbericht festgehalten. Bezüglich jedes Vorgangs während der Dauer des Verbleibs bei den polizeilichen Ordnungsbehörden wird ein schriftliches Protokoll gefertigt, von dem je eine Kopie der Akte des Gefangenen beigefügt und an das Innenministerium gesandt wird.
In Fällen, in denen dieses Gesetz zur Anwendung gelangt, kann, falls das Gericht dies für notwendig erachtet, ein Aufschub der Haftvollstreckung entschieden werden.
Eine Abschrift des Urteils gegen Personen, die von den Bestimmungen dieses Gesetzes profitieren, wird dem Innenministerium nach Rechtskraft zu gesandt.
Die zuständigen Zeugenschutzeinheiten prüfen während der entsprechenden Vorgänge bezüglich Personen, auf die Schutzmaßnahmen anzuwenden sind, ob Personen, auf die Art. 7 des Gesetzes über den Kampf gegen organisiertes Verbrechen Nr. 4422 vom 30.7.1999 zutrifft, in den Anwendungsbereich der im vorliegenden Gesetz vorgesehenen Schutzmaßnahmen fallen.

Aufgehobene Bestimmungen
Artikel 7 – Das Gesetz über die Anwendung von Bestimmungen auf bestimmte Straftäter Nr. 3419 vom 25.3.1988 tritt einschließlich seiner Anhänge und Änderungen außer Kraft. Bezugnahmen in anderen Gesetzen auf das außer Kraft getretene Gesetz Nr. 3419 vom 25.3.1988 gelten als Bezugnahme auf das vorliegende Gesetz weiter.
Übergangsbestimmung 1 – Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf Personen, die Angehörige der Terrororganisation waren und sich vor in Kraft treten dieses Gesetzes freiwillig von der Organisation getrennt oder sich gestellt haben oder festgenommen wurden, falls sie innerhalb von 6 Monaten ab in Kraft treten dieses Gesetzes beantragen und erklären, dass sie von den Bestimmungen dieses Gesetzes profitieren wollen, abhängig davon, ob sie entsprechend ihrer Situation die Bedingungen (dieses Gesetzes, d.Ü.) erfüllt haben oder noch erfüllen werden.

In Kraft treten
Artikel 8 – Dieses Gesetz tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft; Artikels 4, Abs. 1 und letzter Absatz treten sechs Monate nach Veröffentlichung außer Kraft.

Durchführung
Artikel 9 – Die Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt dem Ministerrat.

05.08.2003

Für die Richtigkeit der Übersetzung: Jutta Hermanns, FrauenRechtsBüro gegen sexuelle Folter e.V.