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Gesetz Nr. 4959
Ziel und Zweck Artikel 1 – Ziel dieses Gesetzes ist die Wiedereingliederung
Angehöriger terroristischer Organisationen, die gegründet wurden, um Straftaten
politischer und ideologischer Zielsetzung zu begehen, in die Gesellschaft.
Umfang und Begriffsbestimmung
Artikel 2 – Dieses Gesetz findet Anwendung auf:
a) Angehörige terroristischer Organisationen, die sich direkt oder vermittelt
durch andere stellen, ohne bewaffneten Widerstand zu leisten oder Personen,
die sich nachweislich freiwillig von der Organisation getrennt haben oder Personen, derer durch Festnahme habhaft wurde und die an von der Terrororganisation begangenen Straftaten
b) beteiligt waren,
c) nicht beteiligt waren,
d) Personen, die Angehörigen terroristischer Organisationen, im Wissen um
deren Identität und Position, Zufluchtsorte aufgezeigt oder Verpflegung oder
Waffen oder Munition zur Verfügung gestellt haben oder ihnen in sonstiger Weise
behilflich waren.
Der in diesem Gesetz verwendete Begriff der terroristischen Organisation umfasst
Organisationen, Vereinigungen, bewaffnete Vereinigungen, Banden, bewaffnete
Banden oder geheime Verbände, die gegründet wurden, um aus politischen und
ideologischen Gründen Straftaten zu begehen und die im Gesetz Nr. 765 vom
1.3.1926 und Strafvorschriften beinhaltenden, speziellen Gesetzen Erwähnung
finden.
Ausschluß von Vergünstigungen nach diesem Gesetz
Artikel 3 – Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf:
a) Personen, die sich unter welcher Bezeichnung auch immer im Leitungsgremium
der höchsten Ebene befanden und auf die Gesamtheit (der Organisation, d.Ü.)
Einfluß nehmend die Terrororganisation geleitet und geführt haben,
b) Täter, die vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst werden, aber vor
Rechtskraft eines gegen sie verhängten Urteils vor dem Richter erklären, dass
sie ihre vorherigen diesbezüglichen Erklärungen widerrufen oder erklären,
dass sie von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht profitieren wollen,
c) Personen, auf die die Bestimmungen dieses Gesetzes oder/ und der Gesetze
Nr. 3216 vom 5.6.1985, Nr. 3419 vom 25.3.1988, Nr. 3618 vom 21.3.1990,
Nr. 3853 vom 26.1.1992, Nr. 4058 vom 28.2.1995, Nr. 4450 vom 26.8.1999,
Nr. 4537 vom 24.2.2000 (vorherige Reuegesetze, d.Ü.) Anwendung gefunden
haben und die hiernach erneut Straftaten i.S.d. oben aufgeführten Gesetze
begehen.
Strafminderung, böswillige Erklärungen und Rückfälligkeit
Artikel 4 – Personen, die Angehörige einer Terrororganisation sind und
a) an den von der terroristischen Organisation durchgeführten Straftaten
nicht beteiligt waren und die sich nach in Kraft treten dieses Gesetzes
direkt oder vermittelt durch andere stellen, ohne bewaffneten Widerstand
zu leisten oder sich nachweislich freiwillig von der Organisation getrennt
haben und erklären, dass sie von diesem Gesetz profitieren wollen, werden
keiner Strafe zugeführt.
b) vor in Kraft treten dieses Gesetzes an von der terroristischen Organisation
durchgeführten Straftaten beteiligt waren, sich jedoch nach in Kraft treten
dieses Gesetzes direkt oder vermittelt durch andere stellen, ohne bewaffneten
Widerstand zu leisten oder sich nachweislich freiwillig von der Organisation
getrennt haben, erhalten, falls sie erklären, dass sie von diesem Gesetz
profitieren wollen und unter der Bedingung, dass sie ihrer Stellung und
Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend angemessen
nachgewiesenermaßen wahrheitsgemäße Informationen über die Struktur
der Terrororganisation, ihre Aktivitäten, begangene Straftaten und
andere Täter geben, entsprechend der Art und Merkmale der von ihnen
selbst begangenen Straftat folgende Strafminderung: anstelle der in
lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 12 Jahre Freiheitsstrafe,
anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 9 Jahre Freiheitsstrafe;
zeitige Freiheitsstrafen werden zu 1/5 der vorgesehenen Freiheitsstrafe
verhängt.
c) nach in Kraft treten dieses Gesetzes festgenommen werden, erhalten, unabhängig
davon, ob sie an von der Terrororganisation durchgeführten Straftaten beteiligt
waren oder nicht, folgende Strafminderung, falls sie erklären, dass sie von
diesem Gesetz profitieren wollen und unter der Bedingung, dass sie ihrer
Stellung und Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend
angemessen Informationen liefern, die bei der Auflösung oder Aufdeckung
der Terrororganisation von Hilfe sind oder wenn die von ihnen gelieferten
Informationen oder Dokumente oder ihre persönlichen Bemühungen dazu beitragen,
dass eine von der Terrororganisation geplante Straftat verhindert werden
kann und falls diese Informationen
d) vor Rechtskraft eines verhängten Urteils preisgegeben werden, entsprechend
der Art und Merkmale der selbst begangenen Straftat: anstelle der in
lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 16 Jahre Freiheitsstrafe,
anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 14 Jahre Freiheitsstrafe; zeitige
Freiheitsstrafen werden zu 1/3 der vorgesehenen Freiheitsstrafe verhängt.
e) nach Rechtskraft eines verhängten Urteils preisgegeben werden, entsprechend
der Art und Merkmale der selbst begangenen Straftat: anstelle der in
lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe 22 Jahre Freiheitsstrafe,
anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe 19 Jahre Freiheitsstrafe; zeitige
Freiheitsstrafen werden zu 1/2 der vorgesehenen Freiheitsstrafe verhängt
Wenn sich herausstellt, dass Erklärungen in böswilliger Absicht abgegeben
wurden, um von den Bestimmungen dieses Gesetzes zu profitieren oder Beweise
wahrheitswidrig erfunden wurden, wird der Täter, auch wenn dieses (Verhalten,
Anm.d.Ü.) eine weitere, andere Straftat darstellt, zusätzlich zu dieser mit
Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft und wird von den Bestimmungen
dieses Gesetzes ausgenommen.
Gegen Personen, die nach Inanspruchnahme der Vorteile dieses Gesetzes innerhalb
der Fristen des Art. 81 Türkisches Strafgesetzbuch erneut Straftaten i.S. des
vorliegenden Gesetzes begehen, wird die regelmäßig gesetzlich vorgesehene
Strafe plus einer Straferhöhung um die Hälfte verhängt.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch Anwendung auf Personen, die, ohne
selbst Angehörige der Terrororganisation zu sein, diese mit Waffen und Munition versorgt haben. Personen jedoch, die Angehörigen der Terrororganisation i.S.d. Absatz 1 dieses Artikels lediglich Unterkunft oder Verpflegung besorgt haben oder ihnen auf sonstige Weise behilflich waren, werden nicht mit Strafe verfolgt.
Schutzmaßnahmen
Artikel 5 – Auf Wunsch derjenigen Person, auf welche die Bestimmungen dieses
Gesetzes Anwendung finden und nach Feststellung, dass sie gem. Artikel 170
und 171 letzter Absatz des Türkischen Strafgesetzbuches sowie ihrer Stellung
und Aktivitäten innerhalb der Terrororganisation entsprechend angemessene
Informationen geliefert haben, ergreift das Innenministerium ohne die
Rechtskraft des Urteils abzuwarten für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen
sowie jeder Art Maßnahme zur Wiedereingliederung dieser Person in die
Gesellschaft.
Bei der Umsetzung der zu treffenden Maßnahmen haben das Innenministerium sowie
alle weiteren zuständigen Ämter und Organisationen notwendige
Geheimhaltungsregeln einzuhalten. Personen, die gegen die Bestimmungen
dieses Absatzes verstoßen, werden mit Freiheitsstrafe von 2 bis 3 Jahren
bestraft.
Die Personen, auf welche Schutzmaßnahmen Anwendung finden sowie Art und Weise
verschiedener Schutzmaßnahmen und die hiermit in Verbindung stehenden Kosten
werden durch Rechtsverordnung des Innenministeriums bestimmt. Die zuständigen
Ämter und Organisationen haben die Anweisungen des Innenministeriums bezüglich dieser Schutzmaßnahmen unverzüglich umzusetzen.
Die im Zusammenhang mit der Umsetzung der Schutzmaßnahmen stehenden Kosten
werden aus den hierfür bewilligten Mitteln des Haushaltsplans des
Innenministeriums beglichen. Die aus diesen Mitteln vorzunehmenden
Ausgaben werden mit Zustimmung des Innenministeriums gem. der in Artikel 77
des Gesetzes über das Öffentliche Rechnungswesen Nr. 1050 vom 26.5.1927
niedergelegten Grundsätze beglichen. Die Bestimmungen des Gesetzes über
staatliche Ausschreibungen Nr. 4734 vom 4.1.2002 finden bezüglich dieser
Ausgaben keine Anwendung.
Die Identität derjenigen Personen, die entsprechend dieses Artikels eine
Identitätsveränderung erhalten haben, werden im Justizregister
(ähnlich Bundeszentralregister, d.Ü.) eingetragen; diese Eintragung
wird ausschließlich in dem bei der Generaldirektion für Justizregisterwesen
und Statistik des Justizministeriums geführten Zentraljustizregister getätigt.
Die Schutzmaßnahmen betreffend Personen, die von den Gesetzen Nr. 3216
vom 5.6.1985 und Nr. 3419 vom 25.3.1988 profitiert haben, werden fortgeführt.
Überprüfung der gegebenen Informationen
Artikel 6 – Im Falle, dass den gemäß dieses Gesetzes zuständigen Behörden
oder Gerichten Informationen gegeben wurden, haben die zuständigen Behörden
und Gerichte diese unverzüglich und unter Beachtung der Geheimhaltungspflichten
an das Innenministerium weiterzuleiten.
Im Hinblick auf die Anwendung dieses Gesetzes überprüft das Gericht zugleich
mittels des Innenministeriums die Richtigkeit der gegebenen Informationen
und Erklärungen. Um die gegebenen Informationen und Erklärungen zu überprüfen,
übersendet das Gericht dem Innenministerium eine Akte, welche die Aussagen
und Erklärungen des Angeklagten in allen Phasen des Verfahrens enthält.
Auf Anfrage des Gerichts untersucht das Innenministerium den Fall
innerhalb kürzester Zeit und läßt dem Gericht einen begründeten
Abschlußbericht zukommen.
In Fällen, in denen es in Hinsicht auf die Überprüfung der Richtigkeit gegebener
Informationen notwendig erscheint, können Straf- oder Untersuchungsgefangene
auf Wunsch der mit der Überprüfung beauftragten Behörde und auf Anforderung
der Staatsanwaltschaft unter der Bedingung der Zustimmung dieser Personen
durch Entscheidung des Gerichts des Ortes der Straf- oder Untersuchungshaft
aus der Haftanstalt übernommen werden. Das Gericht entscheidet entsprechend
der Art und Weise der vorzunehmenden Arbeiten über die Zeitspanne des Verbleibs bei den polizeilichen Ordnungsbehörden. Das Gericht hört vor jeder erneuten Entscheidung den Straf oder- Untersuchungsgefangenen an. Jedoch darf die jeweils einzelne Zeitspanne vier Tage, die Gesamtzeitspanne 15 Tage nicht überschreiten. Die Zeit wird auf die Straf- oder Untersuchungshaft angerechnet. Der Gesundheitszustand des Straf – oder Untersuchungsgefangenen wird bei Verlassen der sowie bei Rückkehr in die Haftanstalt in einem Arztbericht festgehalten. Bezüglich jedes Vorgangs während der Dauer des Verbleibs bei den polizeilichen Ordnungsbehörden wird ein schriftliches Protokoll gefertigt, von dem je eine Kopie der Akte des Gefangenen beigefügt und an das Innenministerium gesandt wird.
In Fällen, in denen dieses Gesetz zur Anwendung gelangt, kann, falls das Gericht
dies für notwendig erachtet, ein Aufschub der Haftvollstreckung entschieden
werden.
Eine Abschrift des Urteils gegen Personen, die von den Bestimmungen dieses
Gesetzes profitieren, wird dem Innenministerium nach Rechtskraft zu gesandt.
Die zuständigen Zeugenschutzeinheiten prüfen während der entsprechenden
Vorgänge bezüglich Personen, auf die Schutzmaßnahmen anzuwenden sind,
ob Personen, auf die Art. 7 des Gesetzes über den Kampf gegen organisiertes
Verbrechen Nr. 4422 vom 30.7.1999 zutrifft, in den Anwendungsbereich der im
vorliegenden Gesetz vorgesehenen Schutzmaßnahmen fallen.
Aufgehobene Bestimmungen
Artikel 7 – Das Gesetz über die Anwendung von Bestimmungen auf bestimmte
Straftäter Nr. 3419 vom 25.3.1988 tritt einschließlich seiner Anhänge und
Änderungen außer Kraft. Bezugnahmen in anderen Gesetzen auf das außer Kraft
getretene Gesetz Nr. 3419 vom 25.3.1988 gelten als Bezugnahme auf das
vorliegende Gesetz weiter.
Übergangsbestimmung 1 – Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auch
Anwendung auf Personen, die Angehörige der Terrororganisation waren und sich
vor in Kraft treten dieses Gesetzes freiwillig von der Organisation getrennt
oder sich gestellt haben oder festgenommen wurden, falls sie innerhalb von
6 Monaten ab in Kraft treten dieses Gesetzes beantragen und erklären, dass
sie von den Bestimmungen dieses Gesetzes profitieren wollen, abhängig davon,
ob sie entsprechend ihrer Situation die Bedingungen (dieses Gesetzes, d.Ü.)
erfüllt haben oder noch erfüllen werden.
In Kraft treten
Artikel 8 – Dieses Gesetz tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft; Artikels
4, Abs. 1 und letzter Absatz treten sechs Monate nach Veröffentlichung außer
Kraft.
Durchführung
Artikel 9 – Die Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt
dem Ministerrat.
05.08.2003
Für die Richtigkeit der Übersetzung:
Jutta Hermanns, FrauenRechtsBüro gegen sexuelle Folter e.V.
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