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hintergrund__ analyse  
__Sexuelle Gewalt - Methode staatlicher Kriegführung und Repression
    Flucht und Exil - Fortsetzung der Zerstörung?
 
 

Von Jutta Hermanns
Leicht gekürzter und bearbeiteter Redebeitrag auf der Konferenz "Frauen zwischen Utopie und Realität, Hamburg, 20./21. Juni 1998

Um sexuelle Gewalt als Methode der Bekämpfung eines Gegners in ihrer systematisch eingesetzten Dimension aufdecken und dagegen vorgehen zu können, ist der Mut der betroffenen Frauen immer einer der entscheidenden Wendepunkte, das Erlebte zur Sprache zu bringen. Unabhängig von vielen anderen gesellschaftlichen und familiären Gründen, die die Frauen am Sprechen hindern, ist von entscheidender Bedeutung die Absicht des Staates, um jeden Preis ein Aufdecken der eingesetzten sexuellen Gewalt zu verhindern. Viele der Betroffenen können daher erst dann reden, wenn sie sich einem weiteren möglichen Zugriff des Staates entzogen haben - das heißt in der Konsequenz, dass nicht wenige erst nach einer Flucht ins Ausland beginnen, zu sprechen.

[…]

Ich möchte mich insbesondere zu der Situation im Exil nach einer erzwungenen Flucht von sexueller Gewalt betroffener Frauen und Mädchen äußern. Eine solche Flucht ist NIE freiwillig, sie hinterlässt tiefe Gefühle von Verrat an denjenigen, die zurückbleiben (mussten) und weiterhin täglich mit der Gefahr derartiger Gewalt konfrontiert sind, sowie Zustände tiefer Einsamkeit in einer Umgebung und Gesellschaft, die auch nicht ansatzweise erahnen kann, welche Dimensionen die politische Repression im Herkunftsland der betroffenen Frauen haben und wie viel Mut und Selbstlosigkeit es erfordert, hiergegen zu kämpfen.

EXIL bedeutet für die meisten Frauen von ihrem Wunsch her, sich an einen Ort zu begeben, an dem sie sich sammeln können, um zumindest von den äußeren Umständen her ohne die permanente Furcht, erneut derartiger Gewalt ausgesetzt zu werden, die Ruhe zu finden, sich wieder aufzubauen.
Hierzu gehört auch, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, sich als Teil eines gemeinsamen, sich fortsetzenden Kampfes gegen die Verhältnisse zu begreifen, wegen derer sie gezwungen waren zu fliehen.
Dies kann niemals ein individueller Vorgang sein, in dem es lediglich darum geht, das eigene Seelenheil zu retten. Die Betroffenen wissen dies meistens ganz genau - jedoch sind sie im Exilland mit Bedingungen und Verhältnissen konfrontiert, die sie erneut zu passiven, kranken Opfern zu machen versuchen, denen - im besten Fall - geholfen werden muss.
Das betrifft sowohl die institutionalisierte, strukturelle Gewalt, die auf deutschen Gerichten, Behörden und Ämtern vorherrscht, als auch die meist gut gemeinten, im Ansatz aber zum völligen Scheitern verurteilten "Hilfsbemühungen" verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen, solange diese nicht in einen Rahmen politischer Bekämpfung der Ursachen eingebettet werden.
Mit dieser Feststellung beabsichtigen wir auf keinen Fall, die ungeheuer wertvolle Arbeit z.B. der Rehabilitationszentren für Folterüberlebende oder anderer, Hilfe anbietender Gruppen zu disqualifizieren. Es ist jedoch dringend notwendig, neue Perspektiven im gemeinsamen politischen Handeln zu entwickeln, die in letzter Zeit viel zu oft vernachlässigt wurden.
Das belegen insbesondere die häufigen Anfragen aus dem Ausland, wie unser Projekt in der Türkei denn wohl am besten unterstützt werden könne.
Auch wenn wir uns über dieses Interesse sehr freuen, zeigt dies doch auch die weit verbreitete Mentalität des so genannten Helferinnensyndroms, welches gekennzeichnet ist von der Konzentrierung auf die Verhältnisse im Ausland und eine Unterstützung meist materieller Art.

EXIL ist Teil des Traumas und je erniedrigender die Bedingung des Exils, desto tiefer die Retraumatisierung und Passivisierung.
EXIL kann aber auch genutzt werden, um zusammenzukommen und gemeinsam Strategien zu entwickeln; kann die Chance sein, in Gegenseitigkeit voneinander zu lernen, wenn in diesem Bewusstsein die notwendigen Bedingungen hierfür geschaffen wurden