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>>>Seite3:
Als Reaktion auf die Aufdeckung der
Praxis sexueller Folter durch einzelne Betroffene und
Unterstützerinnen auf einem Kongreß gegen sexuelle Folter,
der im Juni 2000 in Istanbul stattfand, sind 18 Frauen
und ein Mann wegen der "Verunglimpfung des Staates und
seiner Organe" angeklagt.
Dieses noch andauernde Strafverfahren zeigt, dass empfindlich
auf den Versuch der Aufdeckung und Enttabuisierung sexueller
Folter sowie die Forderung nach Strafverfolgung der
staatlichen Täter reagiert wird.
Weitere Verfahren gegen Betroffene und ihre Anwältinnen
vom Frauenrechtsbüro in Istanbul (unter ihnen Eren Keskin
und Fatma Karakas) nach Aufdeckung sexueller Folter
und Anzeigenerstattung gegen die Folterer sind z.T.
vor den Staatssicherheitsgerichten der Türkei anhängig.
Hierüber liegen ausführliche Dokumentationen unseres
Berliner Büros vor.
Der Lagebericht erwähnt diese Kriminalisierungspraxis
des türkischen Staates mit keinem Wort. Auch staatliche
Repressionen tatsächlicher Art (erneute Übergriffe und
Folter bis hin zu Vergewaltigungen) als Reaktion auf
die Anzeigenerstattung betroffener Frauen gegen ihre
Folterer, die nicht nur vom Istanbuler Frauenrechtsbüro
sondern auch von amnesty international umfassend dokumentiert
wurden, finden keine Erwähnung, obwohl sie unseres Wissens
nach dem Auswärtigen Amt bekannt sind.
Die in letzter Zeit angeblich gehäuft auftretenden Selbstmorde
von Frauen aus den kurdischen Gebieten werden in der
Analyse des Auswärtigen Amtes allein als Ausdruck mangelnder
Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen aufgrund der patriarchalen
Familien- und Gesellschaftsstruktur (arrangierte Hochzeiten
etc.) verstanden (S. 30). Diese Analyse erinnert an
die Darstellung der Selbstmorde in den türkischen Medien.
Nach uns vorliegenden Informationen verschiedener Organisationen
aus der Türkei (u.a. Frauenkulturzentrum "Dicle", Istanbul;
Frauenzeitschrift "Pazartesi"; Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft Egtim-Sen, Sektion Diyarbakir; Untersuchungen
der Diyarbakirer Universität Dicle sowie der Anwaltskammer
Batman) und der BRD (Kurdisches Frauenbüro für Frieden
e.V.), der in der Türkei als Buch veröffentlichen Analyse
"Batman`da Kadinlar Ölüyor" von Müjgan Halis sowie Briefen
Betroffener an unser Büro sind die Gründe für die Selbstmorde
sehr viel vielschichtiger.
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